
energate Interview
Dynamische Stromtarife bieten einige Vorteile, ist Harri Mikk, Geschäftsführer von Spotty Energy, überzeugt. Neben Kosteneinsparungen für Konsumentinnen und Konsumenten unterstützen diese auch die Energiewende. Preisgarantien sieht Mikk hingegen kritisch.
energate: Herr Mikk, Spotty Energy bietet seiner Kundschaft Strom zu Börsenpreisen. Bitte erklären Sie uns, wie sich der Preis für die Kundinnen und Kunden genau zusammensetzt.
Mikk: Wir sind ein auf Strom-Spotpreise spezialisiertes Unternehmen. Wir bieten unserer Kundschaft den Day-Ahead-Preis von der Energiebörse Epex Spot an. Das ist der Strom-Großhandelspreis, der an der Börse für den kommenden Tag gehandelt wird. Diesen Preis geben wir eins zu eins an unsere Kundinnen und Kunden weiter. Zusätzlich erheben wir einen kleinen Preisaufschlag sowie eine Gebühr. Unser Geschäftsmodell ist somit unabhängig vom Strompreis. Wir spekulieren auch nicht mit Preisen an der Börse.
energate: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus dynamischen Stromtarifen?
Mikk: Der größte Vorteil ist der Strompreis selbst. Denn der Großhandelspreis ist immer der günstigste Preis. Dabei wird der Day-Ahead-Preis umso günstiger, je mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen vorhanden ist. Also ergeben sich hieraus weitere Vorteile im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Auch werden Kundinnen und Kunden dazu angehalten, ihren Verbrauch in jene Zeiten zu verschieben, wo es ein größeres Stromangebot gibt. Durch Anpassung des Verbrauchsverhaltens wird ebenfalls zum Klimaschutz beigetragen. Im Gegensatz dazu stehen Fixpreise. Hier werden keine Anreize geliefert, Strom dann zu verbrauchen, wenn verstärkt Erneuerbare einspeisen.
Eine Kehrseite von flexiblen Tarifen ist hingegen die erhöhte Volatilität der Preise, insbesondere Intraday. Im Winter spielt das weniger eine Rolle, aber ab dem Frühling sind die Preisunterschiede innerhalb eines Tages deutlich zu spüren. Abhängig sind die Preisentwicklungen dabei davon, wie viel Strom aus welcher Technologie, etwa Photovoltaik, Wind- oder Laufwasserkraft, eingespeist wird. Auf längere Sicht gleichen sich diese Preisunterschiede jedoch aus. Statistisch gesehen ist der Strompreis an der Börse auf lange Sicht immer günstiger als ein Fixpreis. Zwar eliminieren Fixpreistarife die Volatilität, aber im Gegenzug enthalten sie Kosten für die Absicherung dieser Preisschwankungen.
Natürlich sind dynamische Tarife nichts für Kundinnen und Kunden, die eine gewisse Volatilität nicht aushalten. Diese Kundengruppe sollte bei Fixpreisen bleiben. Für den Großteil der Menschen macht es aber keinen Unterschied, ob die aktuelle Rechnung höher ist als im Vormonat. Viele Kundinnen und Kunden können gut mit dieser Volatilität umgehen, wenn sie wissen, dass sie über lange Sicht einen günstigeren Strompreis zahlen.
energate: Was spricht Ihrer Meinung nach gegen Preisgarantien beim Strompreis, die manche Versorger ihrer Kundschaft geben?
Mikk: Preisgarantien schaffen den Anreiz ab, den Stromverbrauch in Zeiten von höherer Einspeisung zu verschieben. Jede Kundin, jeder Kunde hat einen gewissen Spielraum, den Verbrauch zu verschieben, etwa beim Laden von Elektrofahrzeugen. Schon allein das macht einen großen Unterschied. Ein Hauptproblem, das wir in Europa haben, ist, dass der Verbrauch nicht dann stattfindet, wenn am meisten Strom aus Erneuerbaren ins Netz eingespeist wird. Daher muss der Kundschaft ein Anreiz geboten werden, ihren Verbrauch in diese Zeiten zu verschieben. Durch die Preisgarantien ist es den Kundinnen und Kunden aber egal, zu welcher Zeit sie Strom verbrauchen.
energate: Wie verhält es sich mit dynamischen Tarifen bei Gas?
Mikk: Gas hat eine andere Logik als Strom. Die Volatilität bei Strom ergibt sich vor allem dadurch, dass der Energieträger nur sehr begrenzt gespeichert werden kann. Bei Gas ist das anders, was auch zu Unterschieden bei den Spotpreisen führt. Bei Gas sind daher weniger die Stunden-, sondern die Tagespreise relevant. Zwar liegen auch die Spotpreise bei Gas unter jenen vom Terminmarkt, aber hier sind die Möglichkeiten für Preiseinsparungen geringer. Da der Großhandelspreis für Erdgas im Tagesverlauf stabiler ist, ergeben sich auch weniger Anreize, seinen Verbrauch anzupassen.
energate: Dennoch haben die Entwicklungen am Gasmarkt großen Einfluss auf den Strommarkt und die Strompreise. Welche Auswirkungen erwarten Sie im laufenden Jahr?
Mikk: Wenn wir nicht genügend erneuerbaren Strom zur Verfügung haben, wird der Strompreis tatsächlich überwiegend vom Gaspreis bestimmt. Die größte Auswirkung auf den Gasmarkt hat dabei das Wetter. Das ist wesentlich bedeutender als etwa das Ende des Ukraine-Transits und der russischen Erdgaslieferungen nach Europa. Daher hatten diese auch keine Auswirkungen auf den Gaspreis. Die Gaspreise aktuell werden beeinflusst durch unterdurchschnittliche Erzeugung bei der Wind- und Laufwasserkraft und die kalten Temperaturen.
Seit Ende Oktober sehen wir in Europa eine bis heute anhaltende Windflaute. Zusätzlich hat sich die Erzeugung bei der Laufwasserkraft in Österreich im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Dieser Umstand drückt auch die Strompreise nach oben. Spätestens im Frühling wird sich diese Situation aber wieder verbessern. Dann ist mit mehr Wind, Niederschlag und erhöhter Einspeisung durch Photovoltaikanlagen zu rechnen. Die Erneuerbaren ermöglichen somit eine Entkopplung des Strompreises vom Gasmarkt. Wenn sich die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken pro Tag nur wenige Stunden reduziert, hat das wiederum deutliche Auswirkungen auf den Strompreis. Dieser fällt dann sehr schnell um einige Cent je kWh.
energate: Welche Auswirkungen erwarten Sie durch das Ende der Strompreisbremse und die Erhöhung der Netzkosten auf die Endkundenpreise?
Mikk: Ab dem Jahr 2023 hat die Strompreisbremse keinen Sinn mehr gemacht, da die Preise an den Strombörsen bereits unter zehn Cent/kWh lagen. Damit hat die Maßnahme das Haushaltsbudget unnötig belastet. Jetzt sieht die Situation anders aus. In den vergangenen drei Monaten hatten wir durchschnittliche Strompreise knapp über zehn Cent/kWh. Jetzt hätte die Maßnahme wieder einen positiven Effekt für die Endkundinnen und -kunden. Ich halte aber auch nichts von einer Verlängerung der Strompreisbremse. Sinnvoller wäre für Kundinnen und Kunden der Umstieg auf flexible Tarife, da die Strompreise in kurzer Zeit wieder unter die Zehn-Cent-Marke fallen werden. Zudem hat die Maßnahme keinen positiven Effekt auf das Verbraucherverhalten und somit auf die Energiewende.
Das Auslaufen der Maßnahme plus die Erhöhung der Netzkosten haben aber aktuell negative Auswirkungen auf die Preise. Die Netzkosten haben dabei aber den bei Weitem größten Effekt auf die Endkundinnen- und Endkundenpreise. Die Höhe der Netztarife lässt sich jedoch nicht ändern.
energate: Thema Netzkosten: Energiegemeinschaften (EG) erhalten Erleichterungen bei den Netzgebühren und erfreuen sich in Österreich immer größerer Beliebtheit. Sie hatten aber Kritik an der EG "Fanclub Burgenland Energieunabhängig" geäußert. Warum?
Mikk:Der Fanclub Burgenland Energieunabhängig ist eine Bürgerenergiegemeinschaft. Die Netzkosten werden hingegen nur für Erneuerbare-Energiegemeinschaften reduziert. Meine Kritik bezieht sich darauf, dass den Mitgliedern der EG im Burgenland mit zehn Cent/kWh ein relativ hoher Fixpreis für Strom verrechnet wird. Gleichzeitig würde Burgenland Energie für die Einspeisung von Windkraft am Markt niemals zehn Cent/kWh bekommen.
Für mich hat die EG nur den Zweck, die Windkrafterzeugung teuer an die Kundschaft zu verkaufen. Im Vorjahr hat eine Windkraftanlage pro erzeugter kWh durchschnittlich 8,2 Cent erhalten. Mit dem weiteren Zubau von Erneuerbaren wird sich dieser Preis nochmal reduzieren. Im Rahmen der EG erhält Burgenland Energie aber zehn Cent/kWh für den Zeitraum von zehn Jahren, also deutlich mehr als den Marktpreis.
energate: Der Boom bei der PV ist im vergangenen Jahr durch die Umsatzsteuerbefreiung für kleine Anlagen nochmals befeuert worden. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch das Ende der Steuererleichterung?
Mikk: Die PV-Erzeugung hat einen großen Einfluss auf den Strompreis. Das sieht man besonders im Sommer und an sonnenreichen Tagen immer wieder. Daher sind auch die günstigsten Stunden bei Strom nicht mehr die Nachtstunden, sondern jene zur Mittagszeit. Auch nach dem Wegfall der Umsatzsteuerbefreiung für kleine PV-Anlagen gibt es noch immer andere Fördermöglichkeiten zur Errichtung von Anlagen. Daher wird es auch künftig einen Zubau der PV geben. Wenn auch vielleicht nicht mehr im Ausmaß der vergangenen Jahre. Zusätzlich macht durch die Erhöhung der Netzkosten eine PV-Anlage auf dem Dach zum Eigenverbrauch immer mehr Sinn. Am besten kombiniert man die Anlage noch mit einem Batteriespeicher. Die Einspeisung des produzierten PV-Stroms hingegen macht aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn mehr.
Das Original-Interview finden Sie unter folgenden Link.